Unter welchen Bedingungen fanden echte Schwertkämpfe im Mittelalter statt?

Vergegenwärtigen wir uns die damaligen Umstände eines Zweikampfes:

Damals handelte es sich um Gegner, die beide spitze, scharfe Waffen in Händen hatten und ihrem Kontrahenten nach dem Leben trachteten. Beide Kämpfer waren ungeschützt („Bloßfechten“) und waren sich ihrer Verwundbarkeit mit ziemlicher Sicherheit bestens bewusst!

Im Gegensatz zu den heutigen Tournaments oder Sportfechtkämpfen ging es damals nicht um Punkte. Es ging um das Ganze – und zwar ohne Regelwerk oder irgendwelche Rücksicht! 

Jeder Treffer bedeutete Verletzung, Blutung, Funktionseinschränkung, Schmerzen, es drohten Infektion, Verstümmelung, Siechtum und (gnädigerweise?) der Tod.

Ungestümes Vorpreschen und den Gegner unbedingt treffen zu wollen, um den Punkt zu machen, so wie es heute oft geschieht (mit dicker Schutzausrüstung und mit biegsamen stumpfen Waffen und bester medizinischer Versorgung), war damals definitiv keine vernünftige Option. Doppeltreffer waren somit inakzeptabel! Was nützte es dem Kämpfer, wenn er zwar seinen Gegner besiegt hatte, dabei aber selbst schwer verletzt oder gar tödlich getroffen war?

Es stellt sich unter diesen Bedingungen die Frage:

Ab wann ging der Fechter das Risiko ein, einen Ausfall zu wagen? War eine 50:50-Chance, den Gegner ohne eigene Verletzung zu treffen, ausreichend?  Oder vielleicht eine 90:10-Chance? Wieviele Kämpfe konnte der Fechter auf diese Weise einigermaßen unversehrt überstehen – einen, zwei, zehn? Bedenken wir, dass Talhofer berichtet, dass er immerhin 60 Kämpfe in den Schranken gefochten hat.

Daraus ergibt sich die Folgerung:

Wahrscheinlich würde der mittelalterliche Fechter solange eher defensiv gekämpft haben, bis sich ihm eine relativ gefahrlose Chance auf einen Siegtreffer bot. Im historischen Schwertkampf ging es also primär darum, sich selbst zu schützen* und auf die richtige Gelegenheit zu lauern – bis der Gegner eine Blöße öffnete – und das gilt auch noch heute, sobald zwei Kämpfer mit scharfen Waffen aufeinandertreffen.  Dies hatte eindeutig Vorrang vor der Absicht, den Gegner unbedingt treffen zu wollen.

Und die einzige Schutzausrüstung, über die die historischen Bloßfechter verfügten, war das eigene Schwert mit seiner Klinge und der Parierstange. Nur mit der Waffe konnten sie den Weg der feindlichen Waffe blockieren.

Den wesentlichen Schutz stellte aber die Fechtkunst selbst dar: Die Liechtenauersche Lehre vermittelte ein geschultes Gefühl für die richtige Distanz und das richtige Tempo – und natürlich für die Initiative, also das Kämpfen im Vor. Ihre Beherrschung und konsequente Anwendung war entscheidend für Sieg oder Niederlage.