Schwertkampf – theoretische Grundlagen
Zornhau-Ort
Der Zornhau ist der erste von fünf verborgenen Häuen, die das Besondere an der Lehre Liechtenauers ausmachen.
Er wird aber auch im sog. "Codex Wallerstein" beschrieben (folio 3v, 4v und 5r).
Es handelt sich um einen modifizierten Oberhau.
Während des Anbindens wird er überraschend und mit kontrollierter Wucht „auf den Punkt“ in die Schwäche der gegnerischen Klinge hinein geschlagen.
Dabei wird die gesamte Bewegungsenergie des eigenen Schwerts schlagartig auf die andere Klinge übertragen.
Dies hat zwei Effekte:
- Die andere Klinge wird durch die Wucht des Treffers zur Seite weggeschleudert – das gegnerische Schwert wird sozusagen „verirrt“.
- Das eigene Schwert kommt am „Treff-Punkt“ zum Stillstand. Es kann nun rasch durch eine einfache Rechts-Drehbewegung der Hände in die nun offene obere Blöße des Gegners gestochen werden.
Kann der Gegner sein verirrtes Schwert nicht rasch genug zurück zur Deckung bewegen, dann wird er getroffen und der Kampf ist beendet.
Oder – schafft der Gegner es dennoch, den Stich noch rechtzeitig zu parieren („zu versetzen“) – dann ist der Zornhau-Ort nicht gelungen, sondern zu einem einfachen Oberhau ins Band „degeneriert“, und es folgt der Krieg – das Winden am Schwert.
Dies ist die Erklärung dafür, weshalb in der Lehre Liechtenauers – aber auch im sog. „Codex Wallerstein“ – die Beschreibung des Kriegs ausgerechnet in der Abhandlung über den Zornhau erfolgt und dabei relativ großen Raum einnimmt.